Impulse

Impuls zu Palmsonntag

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Palmsonntag ist ein Fest für die Sinne! Palmkätzchen gehören unbedingt dazu. Die Sal-Weide ist ein Frühblüher. Wenn ich beim Spazierengehen durch die Natur diese graubraunen Blüten entdecke, denke ich unwillkürlich: „Jetzt ist er da, der Frühling!“ Ich möchte diese frisch aufgebrochenen Palmkätzchen mit ihren feinen Härchen einfach streicheln; sie sind so angenehm weich wie der Pelz einer Hummel. Auch Buchsbaumzweige gehören zum Palmsonntag. Viele nehmen sie nach dem Gottesdienst mit nach Hause und stecken sie hinter das Kreuz. Oft werden die Zweige auch im kommenden Jahr verbrannt, um mit ihrer Asche am Aschermittwoch ein Aschekreuz auf die Stirn zu zeichnen. Leben und Sterben – der Kreis schließt sich!

In manchen Dörfern gibt es am heutigen Tag Prozessionen. Die Menschen ziehen durch die Straßen und feiern den Einzug Jesu in Jerusalem. Es sind Prozessionen mit viel Grün und einer großen Christusfigur, die auf einem Esel sitzt. Ich habe so einen Palmesel bisher nur im Museum gesehen, und obwohl er nicht aus Fleisch und Blut war, hat er mich sehr angerührt wie er so dastand auf seinen Holzfüßen. Ruhig, gedankenverloren und eigensinnig hat er ausgesehen, völlig konzentriert auf seine Aufgabe.

Am Palmsonntag beginnt die Heilige Woche. Sechs Wochen Fastenzeit liegen hinter uns. Vor uns liegen große liturgische Feiern: Gründonnerstag, Karfreitag und dann das Osterfest! Leben pur! Sonne! Frühjahr! Nicht mehr nur grüne Zweige – grüne Bäume! Da kommt einem der Palmsonntag schon fast wie eine Bremse vor. Wie ein Stehenbleiben, ein Standbild mitten in der Passionszeit. Hätte uns das Corona-Virus nicht fest im Griff, wären an diesem Wochenende lange Staus auf den Autobahnen. Die Osterferien haben begonnen, und viele Menschen nutzen diese Zeit für eine Reise in die Länder, wo es schon sprießt und grünt. Doch diesmal werden wir ausgebremst. Wir sollen zu Hause bleiben und unsere Kontakte zu anderen auf das Nötigste reduzieren. Es ist wie in der Natur: alles ist hell und licht, aber es kann nochmal kalt werden. Die Knospen können noch erfrieren. Man weiß ja, wie die Geschichte von Jesus ausgeht. Beides – Anfang und Ende – sind bereits im Palmsonntag enthalten. Vorfreude und die dunkle Ahnung. Palmsonntag ist wie ein Mittendrin stehen bleiben.

Auch in den Evangelien wird der Palmsonntag eher als ein großes Innehalten als ein bewegter Einzug geschildert. Jesus sitzt auf einem Esel, und die um ihn herum schauen ihn an. Wer ist er? Was wird er tun? Ist das hier der Anfang oder das Ende? Einige von seinen Jüngern und Jüngerinnen warten darauf, dass Jesus endlich zeigt, was in ihm steckt. Politische Hitzköpfe wie Judas oder Geltungsbedürftige wie Petrus: haben sie wirklich geglaubt, Jesus würde den Tempel stürmen oder die Römerburg einnehmen? Wollten sie mit Steinen und Messern gegen bewaffnete Soldaten antreten wie palästinensische Jugendliche heute? Und was denkt das Volk? Hoffen sie auf weitere Wunder? Zur Unterhaltung? Zur religiösen Erbauung?

Was denken wir? Wollen wir viel erleben, viel sehen? Oder eher langsam und bedächtig in die kommenden Tage gehen? Der Palmsonntag lädt uns ein, einfach mal stehen zu bleiben und das eigene Leben zu betrachten: Wohin geht die Reise? Wer bin ich? Was hat mich bis hierhergebracht? Wohin geht meine Reise? Es ist nicht so leicht, diese Fragen zu stellen. Oder ist es so, dass man sich einfach nur fürchtet vor dem Innehalten und vor den Fragen. Was wird sich da auftun, wenn ich sie wirklich an mich heranlasse? Vielleicht werde ich dann sehen, wie unbedacht und ziellos mein Leben bisher war, weil ich weil ich nur den Erwartungen Anderer genügen wollte. Vielleicht werde ich dann sehen, wie sehr ich alles nur schwarz male, weil mir die Farben ausgegangen sind.

Das Evangelium antwortet auf Fragen wie diese so: Mittendrin sitzt einer auf einem Esel. Der sagt gar nichts, aber seine Botschaft ist deutlich zu hören: „Fürchte dich nicht! Fürchte dich nicht vor Fragen! Fürchte dich nicht vor dem, was kommen wird! Alles gehört zusammen. Anfang und Ende. Leben und Tod. Dein Leben wird getragen, egal wohin die Reise führt.

Eine gute Karwoche wünscht Ihnen

                                                                                                          Pastor Burkhard Pepping.